Warum es keine unangemessene Angst gibt

Oft höre ich Sätze wie: “Die Angst ist unangemessen.”

oder

“Die Angst kam aus dem Nichts.”

oder

“Es gab keinen Grund für die Angst.”

Ich behaupte, dass all diese Aussagen nicht der Wahrheit entsprechen.

Denn es steckt viel mehr dahinter, als man auf den ersten Blick sieht.

 

Ein falscher Eindruck

Natürlich wirkt Angst im ersten Moment oft unangemessen bzw. unverhältnismäßig. Doch diese gefühlte Unverhältnismäßigkeit basiert darauf, dass viele nur das Verhältnis zwischen zwei Faktoren in Betracht ziehen:

  1. Die Situation
  2. Die Stärke der Angst

Wenn wir nur diese zwei Faktoren sehen, ist die Angst tatsächlich auf den ersten Blick unangemessen. Die Realität ist, dass man nicht nur diese zwei Faktoren betrachten darf, denn zu einer Angstreaktion gehört viel mehr als nur diese beiden Faktoren.

Wenn wir von einer Verhältnismäßigkeit sprechen wollen, müssen wir über mehr als ein Verhältnis sprechen.

 

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Situation:Angst

Der Klassiker und für viele das einzige Verhältnis, das sie auf dem Schirm haben. Wir fühlen unsere Angst und messen die Verhältnismäßigkeit an der Situation an sich.

“Ich stand an der Kasse und hatte auf einmal eine Panikattacke. Welcher normale Mensch hat schon Angst vor der Kassenschlange?”

Im ersten Moment könnte man auf die Idee kommen, dass die Kassenschlange das Problem ist. Doch weit gefehlt.

Dieses Verhältnis ist absolut irrelevant! Warum? Dazu kommen wir gleich.

Hier kommen die anderen Verhältnisse ins Spiel.

 

 

Konditionierung:Angst

Die Angstreaktion ist wie ein Muskel. Je mehr man dieselbe Reaktion trainiert, desto ausgeprägter und automatischer läuft diese ab. Meistens zieht sich diese Konditionierung über mehrere Jahre, bevor sie richtig anfängt, Probleme zu bereiten.

Wenn man betrachtet, wie viel Arbeit und Zeit man in die Konditionierung einer bestimmten Angstreaktion gesteckt hat, ist die Angstreaktion nicht unangemessen, sondern steht in direkter Relation zu dieser investierten Arbeit und Zeit.

 

Bewertungen:Situation

Jede Situation ist subjektiv behaftet, d. h. das ein und dieselbe Situation von zwei Personen niemals genau gleich wahrgenommen wird. Was für den einen Menschen völlig normal ist, ist für den anderen der pure Horror, da in seinem Kopf ein ganz anderer Film spielt. Durch negative Bewertung, Schwarzmalerei und Grübelei ist aus einer alltäglichen Situation (im Kopf) eine reale Gefahr entstanden. Das Problem ist nicht die Schlange im Supermarkt. Das Problem ist die Geschichte, die wir uns im Kopf ausmalen, was vermeintlich im Supermarkt passieren wird.

Wenn wir uns ausmalen, dass wir in der Kassenschlange an einer Atemlähmung leiden könnten und tot umfallen, dann ist das eine “reale” Gefahr. Für das Gehirn ist diese erschaffene Gefahr genauso real wie ein Kampf auf Leben und Tod. Ist es dann wirklich noch unverhältnismäßig, wenn wir mit dieser Geschichte im Kopf eine Panikattacke erleiden?

Das Problem ist NIE die Situation an sich, sondern immer der Film, der in unserem Kopf abläuft. Die Stressreaktion ist nie eine Reaktion auf die Situation an sich, sondern auf genau dieses Kopfkino und die Angstreaktion ist mit Sicht auf das “Problem”, dass wir im Kopf erschaffen haben, völlig angemessen.

 

Zustand des Nervensystems

Je gereizter das (sympathische) Nervensystem, desto größer wirkt die Gefahr. Außerdem ist der Weg zur Angst um einiges kürzer, wenn das Stress-Fass schon vor der eigentlichen Situation schon prallgefüllt ist. Hinzukommend neigen wir mit einem sympathisch dominanten Nervensystem viel eher zu Grübelei und negativen Gedanken, wodurch das Nervensystem noch weiter befeuert wird.

Diese Reizung muss nicht immer eine mentale Ursache haben, sondern hängt auch sehr stark vom eigenen Lebensstil ab.

Ein ungesunder Lebensstil fördert nicht nur ein gereiztes Nervensystem, sondern trägt auch dazu bei, dass die körpereigenen Gegenmaßnahmen gestört werden.

Wenn wir also bewerten wollen, ob eine Angstreaktion angemessen ist oder nicht, müssen wir immer auch den Zustand unseres Nervensystems mit einbeziehen.

Den Zustand des Nervensystems kann von Tag zu Tag variieren und kann dafür sorgen, dass uns ein und dieselbe Situation an einem Tag völlig kalt und am nächsten Tag durch die mentale Hölle gehen lässt.

Die entscheidende Frage ist hierbei: Wie viel Platz ist noch im Stress-Fass bis es überläuft?

 

 

 

Reaktion durch Traumata

Hat ein Trauma in der Vergangenheit für ein hohes Maß an Stress in uns gesorgt, werden das Gehirn und das Unterbewusstsein alles in ihrer Macht Stehende tun, uns vor eine ähnlichen zukünftigen Situation zu schützen. Die Angst in Vorfeld oder in einer Situation heißt dann nicht mehr als: “Das Ganze hatten wir doch schonmal und das ist nicht gut ausgegangen. Zeit die Beine in die Hand zu nehmen.”

Unterbewusst ist das Ganze dann tatsächlich eine “reale” Gefahr, da es in der Vergangenheit bereits eine reale Gefahr war.

Auch hier findet man absolut nichts Unangemessenes, sondern einen natürlichen und wichtigen Schutzmechanismus.

 

 

 

Fazit

Wenn wir uns fragen, ob die Angstreaktion verhältnismäßig ist, müssen wir alle oben genannten Faktoren mit einbeziehen.

Mit diesem Beitrag möchte ich allen Lesern ein bisschen die Angst nehmen, dass etwas falsch mit ihnen ist. Alles, was ihr spürt, ist eine normale Angstreaktion, die im Verhältnis zur mentalen und körperlichen Verfassung und vor allem zu der Geschichte im Kopf, völlig normal und angemessen ist.

Letztendlich sorgt die vermeintliche Unangemessenheit für noch mehr Stress und somit für noch mehr Angst. Sind wir realistisch und ziehen alle Faktoren in Betracht, wirkt die Situation nicht mehr unangemessen und streicht den Stressor Unangemessenheit aus unserer Wahrnehmung.

 

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