Was ist eine Angststörung überhaupt?
Warum ist diese so hartnäckig?
Was genau ist bei einer Angststörung gestört?
Meist wissen das selbst die Betroffenen nicht so richtig.
Doch will man eine Angststörung überwinden, muss man ihre Funktionsweise verstehen.
Aus diesem Grund wage ich mich an einen Erklärungsversuch der beschreibt, wie Angststörungen enstehen und warum diese so hartnäckig sind.
Achtung: Dies ist kein medizinischer Erklärungsversuch, sondern ein Versuch, das Phänomen Angststörung aufgrund meiner eigenen Erfahrungen zu erklären.
Wie alles beginnt
Alles beginnt mit Stress.
Ich rede hier nicht vom üblichen Alltagsstress, sondern von einer Menge Stress, die das Faß zum Überlaufen bringt.
Wie sich dieses Faß füllt ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich.
Entweder es füllt sich durch anhaltenden Stress und unzureichende Stressbewältigung über einen langen Zeitraum
oder
es füllt sich durch ein Trauma oder einen Schicksalsschlag auf einen Schlag bis zum Maximum.
Doch was passiert, wenn das Faß einmal übergelaufen ist?
Der Körper reagiert mit Angst und Panik.
Denn Angst und Panik sind…
Eine normale Reaktion
Angstzustände und Panikattacken an sich sind keine Krankheit, sondern eine völlig normale Reaktion des Körpers auf zu viel Stress.
Da die meisten Menschen diese Reaktion des Körpers jedoch noch nie erlebt haben, kann diese einen großen Schock auslösen.
Im Handumdrehen kann so eine Angst vor der Angst entstehen.
Schließlich will man das Ganze nicht unbedingt noch einmal erleben.
Im Normalfall fährt der Körper nach einer solchen Panikattacke wieder herunter und die Stresshormone werden abgebaut.
Doch es gibt Menschen, bei denen sich der Körper ab diesem Zeitpunkt in einem dauerhaften Alarmzustand befindet.
Wenn Angst und Panik zur Normalität werden
Solange das Nervensystem sich im Alarmzustand befindet, werden auch Angstzustände und Panikattacken an der Tagesordnung stehen.
Ein Nervensystem, welches nicht mehr zur Ruhe kommt, kann viele Ursachen haben.
Dabei ist Stress jedoch immer ein Muss.
Ohne Stresshormone kann es keine Angst- oder Panikreaktion geben.
Die größten Stressauslöser
Es gibt mehr Stressauslöser, als man denken mag. Doch nicht immer lösen äußere Einflüsse Stress in uns aus. Um genau zu sein sind diese äußeren Stressauslöser eher eine Rarität.
Stress kommt in den meisten Fällen von innen und kann von uns selbst reguliert werden.
Doch kommen wir jetzt einmal zu den häufigsten Stressoren:
Gedanken
Der Großteil des Stresses entsteht durch die eigenen Gedanken. Somit sind wir selbst der größte Stressauslöser.
„Viel Leid und viel Unglück entstehen, wenn Du jeden Gedanken, der dir durch den Kopf geht, für die Wahrheit hältst. Situationen machen nicht unglücklich. Sie mögen physische Schmerzen verursachen, aber sie machen nicht unglücklich. Deine Gedanken machen dich unglücklich. Deine Interpretation, die Geschichten, die du selbst dazu erfindest, machen dich unglücklich.“
-Eckhart Tolle
Das Hauptproblem bei Angststörungen ist wahrscheinlich die Beziehung zu den eigenen Gedanken.
Die Stressreaktion des Körpers unterscheidet nicht zwischen einer realen Gefahr und der eigenen Fantasie.
Eine Gefahr, die wir uns in unserem Kopf ausmalen wird vom Körper genauso verarbeitet, wie eine reale Gefahr.
Wer dauerhaft grübelt und sich ein Worst-Case-Szenario ausmalt, sorgt dafür, dass er sich dauerhaft im Flucht-oder-Kampf-Modus befindet.
Beleuchten wir dieses Thema mal etwas genauer:
Ich möchte kurz darauf eingehen, wo das Problem nicht liegt, obwohl es viele denken.
- Das Problem liegt nicht darin, dass wir zuviel denken. Wir haben quasi keinen Einfluss darauf, wie viel wir denken
- Auch positiv zu denken bzw. die Abwesenheit dieses positiven Denkens ist nicht das Problem
Doch wo liegt das Problem dann?
Identifikation
Wir sind nicht unsere Gedanken. Wir sind die Leinwand auf der sich unsere Gedanken wie ein Film abspielen.
Sobald wir uns mit unseren Gedanken identifizieren und diese persönlich nehmen, machen wir unseren Selbstwert von diesen Gedanken abhängig.
Je negativer die Gedanken, desto geringer wird unser Selbstwertgefühl.
Das uns das in vielen Situationen einen Strich durch die Rechnung macht und Stress in uns auslöst, ist selbstverständlich.
Doch das ist noch nicht alles.
Identifizieren wir uns mit unseren ängstlichen Gedanken, sind wir nicht mehr krank, sondern machen die Krankheit zum Teil unserer Persönlichkeit.
Bewertung
Gedanken werden erst zum Problem, wenn wir diese als gut oder schlecht bewerten. Denn nur dann können sie eine Reaktion in uns auslösen. Ein Gedanke, der nicht bewertet wird, wird auch nie dafür sorgen, dass unser Körper mit Stress reagiert.
Sobald wir einen Gedanken negativ bewerten, wird dieser potenziell als Gefahr wahrgenommen und löst eine Stressreaktion aus.
Wenn Stresssymptome Stress auslösen
Für viele Betroffene sind die Symptome der Angst das größte Problem. Diese Stresssymptome werden lebensbedrohlich wahrgenommen, was natürlich zu weiterem Stress führt.
Durch die negative Bewertung der Symptome werden sie noch intensiver und zahlreicher.
Besonders Symptome wie Derealisation und Brainfog können sehr angsteinflößend sein, sind im Endeffekt aber völlig natürlich bei einer hohen Stresshormon-Konzentration im Blut.
Ein Leben in der Illusion
Wenn wir grübeln, sind wir mit unserem Kopf überall, nur nicht im Jetzt. Wir denken über Vergangenes nach und im schlimmsten Fall projizieren wir diese vergangenen Momente auf unsere Zukunft.
Das sorgt dafür, dass wir uns einreden, dass eine Situation in der Zukunft wieder genau so passieren wird, wie sie es bereits in der Vergangenheit tat.
Es könnte natürlich nicht weiter von der Realität entfernt sein und so ebnen wir uns selbst den Weg in die Katastrophe.
Körperlicher Stress
Genau genommen ist jede Form von Stress körperlich, da es sich bei der Ausschüttung von Stresshormonen um einen biologischen Prozess handelt. Was ich hier jedoch mit körperlich meine, ist, dass es Stress gibt, der nicht aus der subjektiven Wahrnehmung heraus entsteht, sondern rein körperlicher Natur ist.
Dieser Stress kann zum Beispiel durch Übertraining, eine ungesunde Ernährung oder auch durch körperlichen Schmerz entstehen.
Unterbewusster Stress
Ein Stressor muss nicht immer offensichtlich und greifbar sein. So kann zum Beispiel ein Trauma, dass seit Jahren im Unterbewusstsein schlummert, genauso viel Stress auslösen, wie körperlicher Schmerz.
Gestörte Stressbewältigung
Für den Körper ist es normalerweise kein Problem, mit Stress umzugehen und diesen auf ein gesundes Maß herunterzuregeln.
Vorausgesetzt er ist gesund!
Leider ist ein gesunder Körper heutzutage eine Rarität. Der moderne (westliche) Lebensstil sorgt dafür, dass die körpereigenens Regulierungsprozesse gestört sind.
So kann der Stress nicht mehr ausreichend abgebaut werden und staut sich bis zu einem Punkt, ab dem der Körper wieder mit Angst und Panik reagiert.
Die gute Nachricht ist: Wir haben selbst Einfluss darauf, wie gesund unser Körper ist und somit auch, wie gut er mit Stress umgehen kann.
Auf folgende Faktoren haben wir sehr großen Einfluss und können unserem Körper somit dabei helfen, den Stress zu verarbeiten:
Ernährung
Wir brauchen bestimmte Nährstoffe in ausreichender Menge, damit unser Körper die nötigen Stoffwechselprozesse aufrechterhalten kann, die für eine gesunde Stressbewältigung nötig sind.
Fehlen diese Nährstoffe durch eine ungesunde oder einseitige Ernährung, ist auch die Stressbewältigung gestört.
Schlaf
Ein großer Teil des Stressabbaus findet im Schlaf statt. Ist unser Schlaf gestört, kann der Körper nicht ausreichend regenerieren.
Es ist also sehr wichtig, ausreichend lang zu schlafen. Acht bis Neun Stunden sind der Idealfall. Darunter wird es problematisch.
Bewegungsmangel
Bewegung ist eine feste Größe in der Stressbewältigung. Die Natur hat es so vorgesehen, dass auf Angst entweder Flucht oder Kampf folgt.
Beides Tätigkeiten, die viel Bewegung erfordern. Diese Bewegung dient auch dazu, die Stresshormone im Blut wieder loszuwerden.
Bleibt die Bewegung aus, bleibt auch der optimale Abbau dieser Stresshormone aus.
Das größte Problem ist wahrscheinlich, dass meist nicht nur ein Faktor eintrifft, sondern direkt mehrere, die eine gesunde Stressbewältigung behindern und somit Ängste und Panik unterstützen.
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Die Angst lebt von der Reaktion
Eine Angstreaktion ist eine Sache von ca 20-30 Minuten.
Dann ebbt das Ganze normalerweise ab, wenn die Regelmechanismen nicht gestört sind und man sich nicht an diese Reaktion klammert und sie somit unnötig aufrechterhält.
Wie reagieren wir auf den ersten Angstimpuls?
Akzeptieren wir das Ganze einfach und lassen es für 20 Minuten über uns ergehen oder eskalieren wir komplett und machen alles schlimmer als es sein müsste?
Sobald wir diese Reaktion akzeptieren, geht sie genau so schnell wieder, wie sie gekommen ist. Außerdem nehmen wir uns so selbst die Angst vor zukünftigen Attacken und nehmen so der Angst bereits im Vorfeld den Wind aus den Segeln.
Fehlende Akzeptanz und Widerstand
Es liegt in unserer Natur, etwas das sich schlecht und lebensbedrohlich anfühlt, nie wieder erleben zu wollen. Wenn wir uns jedoch gegen etwas streuben, wird es immer wieder Stress in uns auslösen. Um etwas gehen lassen zu können, müssen wir es akzeptieren.
Dieser Widerstand spiegelt sich nicht nur im Verhalten und Denken wider, sondern zum Beispiel auch im alltäglichen Sprachgebrauch. Wer zum Beispiel davon spricht, dass er “seine scheiss Angststörung hasst”, hält allein durch diese Wortwahl die Störung aufrecht, da sich die Wortwahl und die damit einhergehende Bewertung unbewusst auf die eigene Einstellung gegenüber der Angst auswirkt.
Das Ergebnis: Jede Zelle des Körpers kämpft gegen die Angst an. Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Stress sind unausweichlich.
Homöostase
Während man die mentale Akzeptanz selbst in der Hand hat und relativ gut trainieren kann, gibt es einen Faktor, der es einem nicht so leicht macht:
Die körpereigene Selbstregulierung.
Der Körper versucht immer, sich selbst zu einer bestehenden Norm zu regulieren. Im besten Fall heißt diese Norm “körperliche und geistige Gesundheit”.
Doch dieses Phänomen funktioniert auch in die entgegengesetzte Richtung.
Je länger wir krank oder gestresst sind, desto eher wird dieser kranke oder gestresste Zustand vom Körper als die neue Norm gesehen.
Unternimmt man jetzt den Versuch, selbst wieder gesund zu werden oder seinen Stress in den Griff zu kriegen, wird der Körper alles unternehmen, um gegen diese Entwicklung zu arbeiten.
Diese Homöostase erklärt auch, warum viele Betroffene nach langer Zeit der Ruhe wieder einen Rückfall ohne ersichtlichen Grund erleiden.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass diese homöostatischen Rückfälle immer seltener werden, je länger man sich auf dem aktiven Heilungsweg befindet.
Der Körper kommt zurück zu einer gesunden Norm.
Neuroplastizität und Manifestierung
Das Gehirn ist in der Lage, sich durch innere und äußere Einflüsse in seiner physischen Form zu verändern.
Somit funktioniert das Gehirn wie ein Trampelpfad.
Je öfter ein bestimmter Weg (in Form von Gedanken und Verhalten) gegangen wird, desto ausgeprägter wird dieser Weg.
Ein ängstliches Mindset führt also dazu, dass allgemein ängstlicher gedacht wird.
So wird nicht nur eine bestimmte (meist negative) Denkweise, sondern auch das Verhalten auf Dauer zu einem automatischen Prozess.
Bestimmte konditionierte Glaubenssätze rutschen so ins Unterbewusstsein und sorgen dafür, dass die Angst und Panik aus dem Nichts zu kommen scheint.
Die Rolle der Kindheit
Man hört es ja immer wieder: “Der Grund für die Angst liegt in der Kindheit.”
Persönlich glaube ich nicht daran bzw. denke, dass dieses Kindheits-Thema sehr überschätzt wird.
Natürlich gibt es Traumata und einschneidende Ereignisse, die auf die Kindheit zurückzuführen sind, doch liegt das Problem meiner Meinung nach nicht mehr dort, sondern wie wir hier und jetzt auf diese Ereignisse reagieren und wieviel Macht wir ihnen jetzt noch geben.
Wer eine Situation aus der Kindheit immer wieder im Kopf durchspielt und sie nicht gehen lässt, der wird immer wieder Stress erleben.
„Ich bin nicht das, was mir passiert ist. Ich bin das, was ich entscheide zu werden.“-Carl Jung
Was genau ist bei einer Angststörung gestört?
Gestört ist nicht (wie der Name vermuten lässt) die Angstreaktion. Die eigene Fantasie hat sich gegen uns verschworen.
Da der Kopf nicht zwischen realer und eingebildeter Gefahr unterscheiden kann, ist die Angstreaktion völlig natürlich.
Faktoren, die bei einer Angststörung wirklich gestört sind:
- Die Beziehung zu den eigenen Gedanken
- Die Wahrnehmung
- Stressbewältigung
- Achtsames Verhalten
Fazit
Aus meiner Sicht ist eine Angststörung keine Krankheit im klassischen Sinne.
Vereinfacht gesagt ist eine Angststörung eine sich selbst aufrechterhaltende Stressreaktion.
Das der Körper bei diesem hohen Maß an Stress so reagiert, wie er reagiert, ist völlig natürlich.
Der Unterschied zwischen jemandem, der eine einmalige Panikattacke hat und jemandem, der eine Angst- oder Panikstörung entwickelt, sind festgefahrene Denk- und Verhaltensweisen, die das Nervensystem befeuern und in einen dauerhaften Alarmzustand versetzen.
Dieser Angriff auf das Nervensystem hat viele Facetten:
- Bewertung
- Ein stressiger Lebensstil
- Fehlende oder unzureichende Stressbewältigung
- Unachtsamkeit
- Konditionierung
- Reaktionäres Verhalten
Anstatt einfach “an der Angststörung zu arbeiten”, sollte man das Kind beim Namen nennen und sich auf die Aspekte konzentrieren, die eine Angststörung überhaupt erst möglich machen.
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